Bagnols-sur-Cèze, ein Ort in der Provence, im heutigen Département Gard gelegen, hatte im Jahre 1784 gerade mal 5000 Einwohner und nannte den Bruder Ludwigs XVI., Louis-Stanislas-Xavier, den späteren Ludwig XVIII., seinen Herren. Am Vorabend der Revolution verfügte das Städtchen bereits über erste Ansätze einer Strassenbeleuchtung sowie einer regelmässigen Strassenreinigung und schickte sich gerade an, das Korsett der mittelalterlichen Stadtmauer durch den Bau zweier neuer Stadttore abzulegen. Von den etwa 1000 bekannten Haushalten können 529 einem bestimmten Beruf zugeordnet werden, und 13 Kirchen bzw. Klöster sorgten sich um das geistliche Leben in der Stadt.
Dies alles zusammen bildet die Grundlage der Studie, die Jean-Claude Masanelli vor kurzem im Romanistischen Verlag aus Bonn veröffentlicht hat. Masanelli, pensionierter Lehrer für Geschichte und Erdkunde am Collège von Bagnolssur-Cèze, hat mehr als zwei Jahre intensive Archivrecherchen in Montpellier, Nîmes und in Bagnols-sur-Cèze selbst betrieben, um die Geschichte seines Wohnorts am Ende des 18. Jahrhunderts zu erforschen.
Obwohl in Masanellis Studie die politischen Ereignisse im Vordergrund stehen, werden die kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keinesfalls ausgeklammert. Schon die 21-seitige Einleitung liefert aufschlussreiches Material über Bevölkerungsstruktur, Bildungsstand und kirchliche Organisation des Städtchens. Die zu Anfang aufgelisteten Daten mögen hierfür einen bescheidenen Beleg bieten. Da sich diese Daten auf den Zeitraum unmittelbar vor Ausbruch der Revolution beziehen, liefern sie eine gute Grundlage für die weitere Untersuchung
der Stadtgeschichte.
Hierbei kann man nur verblüfft konstatieren, wie viel bislang unbekanntes Material in den Archiven immer noch der Aufarbeitung harrt. Die Folgen der Pariser Entscheidungen für eine Kleinstadt und die Ausführung von Anordnungen lassen sich im Falle von Bagnols-sur-Cèze sehr gut dokumentieren. Dieses Material wird von Masanelli nicht bloss referiert, sondern über weite Strecken ausgiebig zitiert; einige wichtige Dokumente werden dem Leser sogar in Schwarzweiss-Reproduktionen zur Verfügung gestellt. Allein die Folgen der Terreur, der 48 Seiten gewidmet sind, werden durch die Wiedergabe von Haftbefehlen und Zitate aus Gerichtsprotokollen gut dokumentiert und hervorragend kommentiert. Nicht minder ausführlich geht Masanelli auf die religiösen Umwälzungen in Bagnols ein, insbesondere anhand der projektierten Umwandlung der Pfarrkirche in einen «temple de la Raison». Auffallend ist, dass nach einem kurzen Zwischenspiel, in dem sich die Stadt im wesentlichen auf sich selbst konzentrierte, die Hauptstadt und die grosse Politik immer mehr den Gang der Geschehnisse beeinflussten und die Initiative vor Ort verlorenging.
Wie sehr die Ereignisse in der Hauptstadt bis nach Bagnols-sur-Cèze ausstrahlten und die lokale Politik überschatteten, macht schon das Inhaltsverzeichnis deutlich. Sind die ersten vier Kapitel noch lokalpolitischen Ereignissen verpflichtet und nach der Amtszeit der Bürgermeister zwischen August 1788 und November 1792 benannt, so wandelt sich dies bei den folgenden fünf Kapiteln, die einer Einteilung nach gesamtfranzösischen bzw. Pariser Ereignissen folgen: Terreur in ihren verschiedenen Phasen, Ende der Schreckensherrschaft und Direktorium.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Masanellis Studie einen wichtigen Beitrag für die Geschichte der Französischen Revolution in der Provinz liefert und zugleich ein Jahrzehnt kleinstädtischer Entwicklung in der Provence beschreibt. Es ist zu hoffen, dass der Autor auch die napoleonische Zeit in Bagnols-sur-Cèze (und vielleicht auch die Geschichte manch anderer Ortschaft in der Provence) noch aufarbeiten wird.
Zitierweise:
Peter Mario Kreuter: Rezension zu: Jean-Claude Masanelli: Bagnols-sur-Cèze en Révolution, 1789–1799. Bonn, Romanistischer Verlag Jacob Hillen, 2003. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 1, 2004, S. 110-111.